Noch genau 3 Tage. Danach werden sich die meisten Sportbegeisterten in der Schweiz und in Österreich nur noch einer Sache entgegenfiebern: Der EM im eigenen Land.
Was wohl 95% aller Leute in Europa gerne live miterleben würden, scheint einigen Schweizern zu missfallen – sie sehen nur das Negative an der ganzen Sache.
Erstmal vorweg: Ich war an der EM 04 in Porto als Portugal gegen Griechenland im Finale stand. Als wir am Nachmittag ankamen, war jeder zuhause um sich die Berichterstattung zum Spiel anzusehen. Alle Strassen und Städte waren menschenleer. Am Abend hatten sich Zehntausende im Zentrum versammelt und dachten sie würden vor der grössten Party stehen die das Land jemals gesehen hatte. Naja, entgegen allen Erwartungen kam es leider dann doch nicht mehr dazu.
Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl war trotz der Niederlage im Finale… unbeschreiblich und lässt mir immer noch einen kalten Schauer über den Rücken laufen.
Okay, ich bin mir auch bewusst das wir ein Fussball-fanatisches Land sind und sonst nicht viel zu feiern haben ausser die Erfolge der Nationalmannschaft. Das ist bei den Schweizern wohl leicht anders. Wir geniessen hier alle einen unermesslichen Wohlstand, haben eine geringe Arbeitslosenrate. Ausserdem sollte man nicht vergessen, dass der Schweizer Fussball im europäischen Vergleich ziemlich von allen Ligen in den Schatten gestellt wird.
Aber was zur Zeit von einigen Em-Nörglern von sich gegeben wird ist einfach nur absurd.
Punkt 1: Euphorie auf Kommando
Als der Spiegel über die fehlende Begeisterung der Schweizer über die EM berichtete, meldeten sich die ersten Nörgler im Spiegel Forum zu Worte. Die meisten argumentierten mit den aufgestellten Verboten und einer sogenannten „Euphorie auf Kommando“. Damit ist wohl die zur EM-Zeit herrschende Stimmung gemeint.
Solche Leute scheinen einfach zu übersehen, dass es solche Kommandos gar nicht gibt. Solche Stimmung und solche Euphorie kann nicht durch ein Kommando verursacht werden. Viel mehr sind dafür packende Spiele und Parties mit völlig fremden Menschen verantwortlich.
Punkt 2: Einheimisches Bier Verbot @ Public-Viewing
Okay, das mag den einen oder anderen Bier-Fan zwar mächtig stören. Carlsberg hat aber wohl die eine oder andere Million für solch eine Aktion springen lassen. Soweit ich weiss war das bisher an praktisch allen EM’s und WM’s der Fall. Wird ja keiner gezwungen sich in solchen Zonen aufzuhalten. Und hey: Die EM wird auch am heimischen TV-Bildschirm übertragen (unfassbar! :-O )
Aber wer wegen solch einer Kleinigkeit gleich anfängt zu heulen, kann sich gleich Zuhause im Gitterbett einschliessen.
Punkt 3: Inoffizielle Fan-Bekleidung ist verboten
Naja, auch ein aufgebauschter Sch**** von unseren Lieblingszeitungen. Passiert halt wenn die 20Mi.. äh 20Stunden nichts zu schreiben hat. Solch ein Verbot greift in 99.99% der Fälle nur bei versuchtem Ambush Marketing von Firmen die mit eigenem Fanwear für Aufsehen sorgen wollen. Offizielle Sponsoren zahlen eine Riesensumme… und wollen dafür halt belohnt werden.
Punkt 4: Die Kosten
Eigentlich der vernünftigste Kritikpunkt. Natürlich kostet eine solche Verstaltung Milliarden an Franken. Aber auch für Portugal und Deutschland hat sich das gelohnt. Neue Stadien wurden gebaut und beide Länder standen in der ganzen Welt für 4 Wochen im Mittelpunkt. Sowas wird von Kritikern gerne übersehen.
Für die Tourismusbranche ist solch eine Veranstaltung wie für Katholiken eine zweite Wiederauferstehung Jesu. Die Umsätze in der Tourismusbranche steigen während der Veranstaltung während der EM ins unermessliche.
Doch auch etliche andere Branchen profitieren von solchen Veranstaltungen. Man schaue sich nur die Gastronomie an. Die meisten Gastwirte werden wohl Rekorde im Bierkonsum feststellen.
Und hey, da wir ja eine Mehrwertssteuer haben, verdient hier der Staat ebenfalls daran.
Punkt 5: Der Lärm
Oft genannt wird auch der gestiegene „Lärmpegel“ während solchen Veranstaltungen. Nunja, wenn man nicht gerade an einer Hauptstrasse oder an einem Austragungsort wohnt, wird man auch davon nicht viel mitbekommen.
Gerade durch diese Haltung bekommen (vor allem die Schweizer) in der weiten Welt den Spiesserruf zugeteilt den vorher Deutschland innehatte.
In den Europäischen Medien wird schon längstens über die Sturköpfigkeit der Schweizer Polizei und den ganzen Beschwerden von irgendwelchen Hinterwäldlern hergezogen.
Kaum zu glauben, dass die Schweizer Polizei wirklich die Zusammenkunft von 10.000 Portugiesen in Neuenburg wegen Lärmbelästigung verhindern wollte. Die Portugiesen waren da um das gerade angekommene Nationalteam zu begrüssen und um zu feiern. 10.000 Leute haben eine sinnlose Verordnung ignoriert und ohne Zwischenfälle bis in die tiefen Nachtstunden gefeiert. Zurecht.
Resultat: Verbot 0 : 1 Partypeople. Was bleibt ist das Spiesserimage für die Schweiz.
Punkt 6: Fussball ist primitiv. 22 Männer rennen dem Ball hinterher
Ach, die ewige Tagline für jeden Fussball-Hasser. Wenn das wirklich so einfach wäre, würden Leute wie Cristiano Ronaldo und Lampard nicht Millionen verdienen. Leute die so etwas behaupten verstehen meistens nichts vom Fussball. Fussball ist viel mehr als nur pures „hinterherrennen“. Schon bei den Junioren lernt man, dass man nicht mit der ganzen Mannschaft zum Ball rennen soll.
Viel wichtiger ist im Fussball die Taktik und das Zusammenspielen im Team. Wie kann man es sich denn sonst erklären, dass zB. Liechtenstein vor einigen Jahren an der WM-Qualifikation Zuhause gegen ein formschwaches Portugal ein 2-2 erreichen konnte?
Ein Trainer sagte mir mal: „Zum Fussball gehöhrt nicht nur der Körper. Dein Kopf ist wichtiger. Mit einem perfekten Spielzug kannst du kannst das beste Team der Welt schlagen.“
Fazit
Ich wage mal zu behaupten, dass sich zumindest 80% der Schweizer auf die EM freuen oder zumindest nichts dagegen haben. Aber die anderen 20%… naja, könnten dem Rest die Party verderben. Die Ösis freuen sich zumindest praktisch alle auf’s Fest. Warum sollten die Schweizer das nicht tun?
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