Die schweizer Zeitung Tagesanzeiger zeugt normalerweise von recherchiertem Journalismus und von zumindest nicht so übertriebenen 20 Minuten-Bild-Blick-Like Stories.
Was ich aber diesen Dienstag lesen musste, ist ja fast schon lächerlich.
Da stellt sich eine 17 jährige Kantonsschülerin hin, spricht über das Verhalten ihrer anscheinend dauerbekifften Klasse, verulteilt es und wird als Stimme der heutigen Jugend dargestellt:
Diese Position hat sie jüngst auch an der Jugendsession in Bern vertreten – überraschend im Einklang mit der grossen Mehrheit. Im Verhältnis 3 zu 1 fordern die 200 Jugendlichen zwischen 17 und 21 das eidgenössische Parlament auf, eine Legalisierung von Hanf zu bekämpfen, weil frei erhältliche Joints «eine falsche Signalwirkung» hätten und weil die Langzeitschäden unklar seien.
Okay, also ist eine versammlung irgendwelcher Jugendpolitiker (Jugendsession von wem? Jungpolitikern? Wie wäre es mit einer Spezifikation der Besucher dieser „Session“?) stellvertretend für die breite, bekanntlich politisch uninteressierte Jugend? Langzeitschäden von Cannabis seien unbekannt? Hmm- wie sieht es mit den Langzeitschäden von Alkohol aus? Leberkrebs anyone? Warum ist dieses noch erlaubt…?
Sobald man das Kiffen zulasse, glaubt Arlena Frey, «suchen sich die Jugendlichen einfach eine andere illegale Droge für den Kick, und die anderen sind noch gefährlicher.» In ihrer Klasse seien heute die Hälfte der Schüler regelmässige oder gelegentliche Kiffer. «Sie kiffen meistens am Mittag, und am Nachmittag merkt man dann, dass sie unkonzentriert und extrem gleichgültig sind. Es ist anstrengend mit denen.» Anstrengend auch für die Lehrer, doch ein paar von ihnen würden einfach die Augen vor dem Problem verschliessen, kritisiert die Schülerin.
Erstmal: Welcher normaler Kiffer steigt wegen einer Legalisierung zu härteren Drogen um? Wer sowas macht verdient es doch nicht zu leben.
Liebe Arlena, war Alkohol in Amerika nicht auch mal verboten? Was ist nach der Prohibition aus den ganzen illegalen Trinkern geworden? Haben Sie zur nächstbesten Droge gewechselt? Was ist denn das für eine bescheuerte Logik?!?!
Ich kenne durchaus einige mehr oder weniger einige Leute die sich ab und zu einen Joint reinziehen – wer kennt denn solche Leute in der heutigen Schweiz nicht- und diese Leute würden sich nach einer Legalisation bestimmt nicht Koks oder ähnliches zulegen.
Ausserdem ist ja längst durch eine Studie belegt worden, dass Gelegenheitskiffer öfters sogar gesünder leben als ihre strikt nicht-kiffenden Kollegen.
Wenn man bekifft in der Schule rumhängt (was ich in der Kantonsschule durchaus verstehen kann – viel gelabber, nichts dahinter) muss man dafür bestraft werden. Bei einem betrunkenem Schüler ist das ja auch genau so.
Wie erlaubt es sich also solch ein Blatt überhaupt aus der Sicht einer 17 Jährigen einen solch heftigen Schluss zu ziehen? Da bedarf es doch einer viel intensiveren Recherche.
Ach ja, noch zum Abschluss eine kleine Randnotiz: In Holland hat nach der Legalisation des grünen Krauts der Cannabiskonsum nicht zugenommen.